Magengeschwüre treten bei einer Mehrheit der Pferde auf, wobei Rennpferde im Training mit über 90 % am stärksten betroffen sind, gefolgt von Pferden im aktiven Vielseitigkeits- (75 %), Distanzreit- (67 %), Spring- (58 %) und Westernsport (40 %). Neuere Studien zeigen, dass Magengeschwüre auch bei Freizeitpferden und Zuchtstuten häufiger auftreten als allgemein angenommen.
Der Pferdemagen
Der Magen eines mittelgroßen Pferdes ist mit einem Fassungsvermögen von 15 - 20 l relativ klein und auf die fortwährende Aufnahme kleiner Futtermengen eingestellt. Der vordere Teil des stark gekrümmten Magens hat die Form eines Blindsacks und ist mit einer verhornten, drüsenlosen (kutane) Schleimhaut, der hintere Teil mit der Magensaft produzierenden, drüsenhaltigen Schleimhaut ausgekleidet. Die drüsenlose Schleimhaut hat nur begrenzte Möglichkeiten, um sich gegen die Magensäure zu schützen. Die dichten Verbindungen zwischen den Zellen der obersten Zellschicht bilden eine sehr schwache Barriere gegen die schädigende Einwirkung der Magensäure. Einmal durchbrochen, kommt es zum Absterben der darunterliegenden Zellen. Der effektivste Schutz der drüsenlosen Schleimhaut ist es, den direkten Kontakt mit der Magensäure zu verhindern, was durch eine matteartige, auskleidende Schichtung der eintreffenden Nahrung im Bereich des Blindsacks und des Übergangs zum drüsenhaltigen Teil des Magens gewährleistet wird.
Im Blindsack findet überwiegend die bakterielle Fermentation der Kohlenhydrate statt, wobei Milchsäure, freie Fettsäuren und Gase gebildet werden. In den nachfolgenden, drüsenhaltigen Regionen wird der Mageninhalt zunehmend mit Magensaft durchmischt und verflüssigt, wodurch der pH sinkt und die bakterielle Aktivität ab- und die enzymatische Verdauung der Eiweiße zunimmt. Im Bereich der drüsenhaltigen Schleimhaut schützt eine puffernde Schleimschicht vor der schädigenden Einwirkung des Magensaftes.
Risikofaktoren
Magengeschwüre treten am häufigsten an der Grenze zwischen drüsenloser und –haltiger Schleimhaut auf, etwas weniger zahlreich im Bereich des Magenausgangs. Es wird angenommen, dass verschiedene Ursachen bzw. Risikofaktoren für das Auftreten von Magengeschwüre in diesen Regionen verantwortlich sind. Magengeschwüre der drüsenlosen Schleimhaut kommen durch direkten Kontakt mit der Magensäure zustande, Magengeschwüre der drüsenhaltigen Schleimhaut durch das Versagen der schützenden Schleimhautmechanismen.
Fütterung
Die Fütterung und deren Management spielen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Magengeschwüren.
- Zu wenig Raufutter bewirkt eine verminderte Speichelproduktion bzw. Pufferung des Magensaftes
- Hohe getreidelastige Kraftfutterrationen verstärken durch die erhöhte Verweildauer von getreidereicher Nahrung im Magen die Gefahr von Gärung
- Lange Zeitintervalle zwischen den Mahlzeiten können dazu führen, dass die schützende Wirkung des matteartigen Raufutterbreis ausbleibt
Haltungsbedingte Stressfaktoren
Obwohl erst neuere wissenschaftliche Studien einen Anstieg von Stresshormonen bei Pferden mit Magengeschwüren der drüsenhaltigen Schleimhaut aufzeigen konnten, geht man schon lange davon aus, dass neben der Fütterung unterschiedlichste, haltungsbedingte Faktoren Stress auslösen und schließlich zu Magengeschwüren führen können. Eine ungünstige Konstellation benachbarter Pferde oder innerhalb einer Gruppe, Transporte, Stallwechsel und außerordentliche Bedingungen an Turnieren reichen aus, um bei empfindlichen Pferden Magengeschwüre hervorzurufen.
Training
Intensive Trainingsbelastung konnte v.a. beim Rennpferd als Risikofaktor ausgemacht werden. Es wird angenommen, dass die Kontraktion des Magens und der erhöhte Druck der Bauchorgane auf den Magen während intensivster Arbeit den Rückfluss der Magensäure bis in den Bereich der drüsenlosen Schleimhaut begünstigen und zu Verletzungen der relativ ungeschützten, drüsenlosen Schleimhaut führen. Untermauert wird diese Hypothese durch Untersuchungen, die aufzeigen, dass bei Pferden, die vor der Arbeit gefüttert werden, die Schleimhautveränderungen etwas moderater ausfallen.
Bakterielle Beteiligung
Im Gegensatz zum Menschen, konnte man beim Pferd bisher nicht beweisen, dass bestimmte bakterielle Keime wie Helicobacter Pylori mitverantwortlich für die Entstehung von Magengeschwüren sind. Es wird jedoch angenommen, dass die sekundäre Besiedlung der Magengeschwüre mit Bakterien die Heilung verzögern kann.
Klinische Symptome
Die klinischen Symptome, die bei Pferden mit Magengeschwüren auftreten sind mannigfaltig, vielfach unspezifisch und können von Pferd zu Pferd unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Sie reichen von Gähnen, Leerkauen, Fressunlust und verändertem Verhalten, über Gewichtsverlust, mattem Fell, verminderter Leistungsbereitschaft, Gurtzwang, Rückenschmerzen und unterschwelligen Bauchschmerzen bis hin zu wiederkehrenden Koliken.
Diagnose
Die klinischen Symptome erlauben allenfalls eine Verdachtsdiagnose, eine gesicherte Diagnose kann nur aufgrund einer gastroskopischen Untersuchung des Magens gestellt werden. Die systematische Beurteilung der Magenschleimhaut und die Erfassung der Anzahl, Größe, Tiefe, Verteilung und Lokalisation der Magengeschwüre erlaubt eine Klassifizierung in unterschiedliche Schweregrade 0 – 4 (Einteilung nach Andrews und Mitarbeiter).
Schweregrad Zustand der Magenschleimhaut
0 - Intakte Magenschleimhaut
1 - Hinweise auf übermäßige Verhornung oder Durchblutung
2 - kleine, vereinzelte oder mehrere Veränderungen der Schleimhaut
3 - große, vereinzelte oder mehrere Veränderungen mit oberflächlichen Geschwüren
4 - Ausgedehnte Veränderungen mit tieferen Geschwüren
Fütterungs- und Haltungsmanagement
Um das Risiko von Magengeschwüren möglichst gering zu halten, sollten folgende Punkte beachtet werden:
1. Grundlage ist eine raufutterbasierte Ration
- Heu mind. 1,5 kg/100 kg KGW/Tag
- Fresspausen über 4 Stunden vermeiden
- Heu mind. eine Stunde vor der Fütterung von Kraftfutter
2. Restriktive Fütterung von stärkehaltigen Futtermitteln
- Idealerweise < 1 g / kg KGW Stärke pro Mahlzeit und < 2 g / kg KGW Stärke pro Tag
- Ein erhöhter Energiebedarf sollte über die Verabreichung von pflanzlichem Öl (bis zu 100 ml / 100 kg KGW) bzw. von ölhaltigen Futtermitteln abgedeckt werden
- Fütterung von Luzerne oder Luzernehaltigen Futtermitteln (dient der Pufferung des pH-Wertes im Magen)
3. Weidegang/Auslauf so oft wie möglich
- Freien Auslauf und Kontakt zu Artgenossen ermöglichen
4. Stresssituation reduzieren
- Insbesondere bei empfindlichen Pferden sollten Stresssituationen wie Transporte über längere Distanzen, Stallwechsel, Turniere etc. reduziert oder vermieden werden
Nutritive Supplemente
Verschiedene nutritive Supplemente auf dem Markt können ebenfalls zur Prävention und zur Behandlung von Magengeschwüren eingesetzt werden. Besonders bietet sich ein Produkt mit Nukleotiden an, um die Gewebsregeneration der Magenschleimhaut zu fördern.
Schlussfolgerung
Magengeschwüre entstehen durch das ungünstige Aufeinandertreffen verschiedener Risikofaktoren. Durch ein differenziertes Fütterungs- und Haltungsmanagement kann das Risiko von Magengeschwüren maßgeblich reduziert werden.
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