Getreide ist seit langer Zeit im Futtertrog des Pferdes zu finden und in der täglichen Ration fast schon so selbstverständlich wie Heu und Weidegras. In den letzten Jahren hat das Image des Getreides als Pferdefutter jedoch stark gelitten. Es sei für Pferde nicht geeignet, mache sie krank oder führe zu Temperamentsausbrüchen. Was ist dran an diesem Image? Betrifft es jede Getreideart und jedes Pferd? Betrifft es das komplette Getreide als ganze Pflanze oder nur einzelne Bestandteile?
Nehmen wir das altbekannte Pferdefuttermittel doch mal genauer unter die Lupe. Welche Bestandteile hat das Getreide und wie nützt es dem Pferd? Was für Alternativen gibt es zur Getreidefütterung? Welche Pferde profitieren von einer getreidehaltigen bzw. getreidefreien Fütterung? Wir gehen dem Getreide sachlich und objektiv an den Leib!
Was ist Getreide?
Als Getreide bezeichnet man sowohl die ganze Getreidepflanze, als auch das einzelne Getreidekorn. Bei Getreide handelt sich um kultivierte Süßgräser. Im Laufe der Zeit hat der Mensch durch zielgerichtete Züchtung Süßgräser entwickelt, die im Vergleich zu den heutigen Gräsern einen großen Ernährungsvorteil bieten: einen stark ausgebildeten Mehlkörper! Dieser Mehlkörper dient als ausgeprägter „Energiespeicher“, was das Getreide zu einem Grundnahrungsmittel für Mensch und Tier macht. Die gängigsten Getreidearten sind Hafer, Gerste, Mais, Weizen, Dinkel, Roggen, Triticale, Reis, Hirse und viele mehr.
Das schlechte Image des Getreides in der Pferdefütterung ist ausgerechnet auf den Aspekt zurückzuführen, der es für die Humanernährung und etliche Nutztiere so wertvoll macht: der relativ hohe Gehalt an Stärke und Zucker im Mehlkörper! Aber Getreide besteht ja nicht nur aus dem Mehlkörper, sondern hat noch einiges mehr zu bieten, was sich dem Bewusstsein der meisten entzieht.
Das Getreidekorn
Das Getreidekorn besteht aus mehreren Komponenten:
- Mehlkörper
- Getreidekeim
- Schalen
- Spelzen
Der Mehlkörper macht in der Regel den quantitativ größten Anteil des Getreidekorn aus (durch züchterische Maßnahme gewollt (siehe oben) und variierend zwischen den Getreidearten). Der Mehlkörper, auch Endosperm genannt, besteht im Wesentlichen aus Stärke, die in Form kleiner Stärkekörnchen (Stärkegranula) den „Energiespeicher“ des Getreides bildet und von Proteinen zusammengehalten wird.
Kleiner Exkurs: im Verdauungstrakt wird die Stärke enzymatisch mittels Amylasen abgebaut und als Glucose über die Dünndarmwand aufgenommen. Im Stoffwechsel dient die Glucose dann hauptsächlich als Energielieferant.
Der Getreidekeim ist der Ursprung für eine neue Getreidepflanze und enthält Wurzel- und Blattanlagen. Über eine Saugschicht (=Scutellum) ist der Keim, auch Keimling genannt, in den Mehlkörper eingebettet.
Um den Start einer neuen Pflanze zu ermöglichen, werden Mikronährstoffe und Enzyme benötigt, was den Getreidekeim zu einer kleinen „Vitalstoffbombe“ macht. Außerdem ist der Keim besonders fettreich, was dem Organismus wiederum Energie und essentielle Fettsäuren liefert.
Der Mehlkörper und der Getreidekeim werden durch mehrere Schichten von Schalen umhüllt. Dazu gehören von außen nach innen die Oberhaut (=Epidermis), die äußere (=Epikarp) und innere (=Endokarp) Fruchtschale, die Samenschalen (=Testa und Episperm) und die protein-, vitamin- und enzymhaltige Aleuronschicht, die den Innenkörper des Getreidekorns umhüllt.
Die Schalen des Getreidekorns sind vor allem ballaststoffreich, da sie zum Zwecke der Stabilisation aus Strukturkohlenhydraten bestehen. In der Müllerei werden die Schalen vom Mehlkörper getrennt und finden als Kleie Verwendung in der Tier- und Humanernährung. Die Schalen des Getreidekorns sind reich an β-Glucanen. Durch diese β-glycosidisch gebundenen Polysaccharide dient die Kleie als Präbiotikum, regt die Darmperistaltik an und unterstützt somit die Verdauung. Außerdem besitzen β-Glucane durch die Stimulierung von Immunzellen einen immunmodulierenden Charakter. Was bislang als Tierfutter verwendet wurde, findet heute als diätetische Nahrungskomponente Anklang in der Humanernährung und ist in jedem Reformhaus und mittlerweile sogar fast jedem Supermarkt zu finden.
Die Spelzen bilden letztlich die äußere Hülle des gesamten Getreidekorns. Sie sind vor allem ligninhaltig und finden z. B. als Einstreu (Stroh) Verwendung. Auch Stängel und Blätter der Getreidepflanze werden getrocknet als Stroh zum Einstreuen von Liegeflächen, in geringen Mengen als ballaststoffreiches Futterstroh oder abseits vom Tierbereich zum Dämmen von Häusern verwendet.
Vor- und Nachteile von Getreide in der Pferdefütterung
Wie bereits angesprochen, enthält Getreide viele nährstoffreiche Bestandteile und verdauungsfördernde Eigenschaften. Der Mehlkörper liefert leicht verdauliche Stärke und Zucker und somit relativ schnell verfügbare Energie, was vor allem aktiven Sportpferden zugutekommt, um Kraft, Konzentration und Durchhaltevermögen leisten zu können. Durch den relativ hohen Gehalt an Stärke und Zucker wird Getreide auch von „mäkeligen“ Pferden in der Regel gut gefressen. Außerdem sind leicht verdauliche Kohlenhydrate auch dann noch in der Ration willkommen, wenn Leber- und Nierenwerte erhöht sind, da Kohlenhydrate die Entgiftungsorgane nicht so stark belasten wie Proteine und Fette.
Nachteilig können die hohen Phosphorgehalte des Getreides sein, die bei übermäßiger Getreidefütterung das Calcium:Phosphor Verhältnis in Richtung Phosphor verschieben (optimal wäre ein Ca:P Verhältnis von 1,5-2:1). Um dies zu verhindern, sollte auf einen Calcium-Ausgleich geachtet werden.
Der hauptsächliche Nachteil des Getreides und der Grund, weshalb viele Pferde auf Getreide verzichten müssen, ist, wie schon erwähnt, der relativ hohe Anteil an Stärke und Zucker, der hauptsächlich aus dem Mehlkörper kommt. Was dem ambitionierten Sportpferd Kraft und Energie liefert, ist für andere Pferde paradoxerweise eine gesundheitliche Falle. Denn, wie so oft im Leben, macht auch beim Stärke- und Zuckergehalt die Dosis das Gift. Oder besser gesagt: Stärke- und Zuckermenge müssen zum Bedarf des Pferdes passen. Da nun aber der Großteil der heutigen Pferdepopulation allenfalls leichte Arbeit verrichtet, kommt es gerne zu einer gut gemeinten, aber oft unterschätzten Überfütterung der Pferde mit einem „Zuviel“ an Stärke und Zucker. Die Folgen sind sowohl mannigfaltig, als auch mitunter verheerend. Dauerhaft und stark erhöhte Blutzuckerspiegel mit entsprechend hoher Insulinantwort können zu Übergewicht und Insulinresistenz führen. Im Dickdarm kann es zu Dysbiosen und Azidosen kommen, die wiederum Verdauungsprobleme wie Koliken, Durchfall, Kotwasser und Blähungen auslösen und im schlimmsten Fall zu einer Hufrehe führen können.
So erschreckend diese Erkenntnis auch ist, so sollte man sich dennoch die Frage stellen: ist das Getreide daran schuld? Nein! – sondern das Zuviel an Stärke und Zucker, das nicht auf den Bedarf des Pferdes abgestimmt ist!
Wann aber ist das Getreide selbst problematisch?
Manche Getreidearten enthalten das Protein Gluten, das sogenannte „Klebereiweiß“. Zum Brotbacken eine wichtige Eigenschaft, da es die Backfähigkeit verbessert und den Teig zusammenhält. Gluten ist vor allem in Weizen, Roggen, Dinkel und in kleineren Mengen auch in Hafer und anderen Getreidearten enthalten. Gluten kann bei Menschen Unverträglichkeiten wie Zöliakie, Weizenallergie oder Glutensensibilität auslösen. Bei Pferden sind tatsächliche Unverträglichkeiten bzw. Allergien zwar bekannt, aber vergleichsweise selten. Glutenhaltiges Getreide ist beim Pferd vielmehr deswegen ungeeignet, weil es zu Magenverkleisterungen, Magenüberladungen und Fehlgärungen führen kann. Das ist auch der Grund, weshalb Weizen-, Roggen- und Dinkelkörner für Pferde weniger geeignet sind.
Typisches Pferdegetreide
In der Pferdeernährung etabliert und geschätzt werden vor allem Hafer, Gerste und Mais.
Hafer ist in Europa das Pferdegetreide Nr. 1! Es ist leicht verdaulich (feine Stärkegranula), vergleichsweise rohfaserreich, dafür aber relativ energiearm (11 MJ ME/kg). Dass manche Pferde von Hafer „lustig“ werden, liegt an der schnellen Verfügbarkeit der Stärke, die zu einem raschen, jedoch nicht allzu lang anhaltenden Blutzuckerhoch führt.
Gerste ist vor allem im antiken Orient das beliebteste Pferdegetreide und hat auch in Europa an Zuspruch gewonnen. Im Vergleich zu Hafer hat Gerste etwas mehr Energie (knapp 12 MJ ME/kg), wobei die Stärke jedoch langsamer abgebaut wird, Blutzucker- und Insulinspiegel entsprechend moderater ansteigen und es zu einer flacheren, dafür länger anhaltenden Energiekurve kommt. Temperamentvolle, nervöse Pferde profitieren von diesem Effekt.
Mais ist ein typisches Mastfutter in der Nutztierhaltung und wird aufgrund seines vergleichsweise hohen Energiegehaltes (knapp 13 MJ ME/kg) auch gerne bei schwerfuttrigen, mageren Pferden eingesetzt. Die Stärkegranula ist beim Mais relativ grob und daher schwer enzymatisch abzubauen, was den Mais schlechter verdaulich macht als Hafer. Die grobkörnige Stärke ist auch der Grund, weshalb Mais ausschließlich hydrothermisch aufgeschlossen (unter Behandlung mit Wärme, Wasser und Druck) an Pferde verfüttert werden sollte, während Hafer aufgrund seiner feinkörnigen Stärke auch als ganzes Korn verfüttert werden kann. Gerste liegt hinsichtlich der Stärkekörner zwischen Hafer und Mais und erfordert zumindest eine mechanische Zerkleinerung wie Quetschen oder Schroten.
Obwohl noch nicht allzu lange im Pferdetrog zu finden, muss hier auch der Reis als Exot angesprochen werden. Dieses energiereiche Getreide eignet sich ebenfalls hervorragend zum Auffüttern schwerfuttriger Pferde. Verwendet wird in der Regel jedoch die Reiskleie (Schalen, siehe oben) und nicht der Mehlkörper. Die Reiskleie schafft es auf beachtliche 12,3 MJ ME/kg.
Getreidefrei = ohne Mehlkörper
Trotz vieler guter Eigenschaften des Getreides hat das Image in den letzten Jahren stark gelitten. Zusammenfassend lässt sich jedoch sagen: Schuld an den mit Getreide assoziierten Problemen hat seltener das Getreide selbst (Allergien), als vielmehr die Fehleinschätzung des Bedarfs und ein damit einhergehendes Zuviel an Stärke und Zucker im Futtertrog!
Wird der Bedarf des Pferdes korrekt eingeschätzt und der stärke- und zuckerhaltige Mehlkörper aus der Ration ausgeschlossen, bleiben noch die anderen nähr- und vitalstoffreichen Getreidekornbestanteile wie Kleie, Getreidekeime und Getreideöle. Auch der jung geerntete Grünhafer als ganze Pflanze erfreut sich wachsender Beliebtheit als rohfaserreicher Kraftfutterersatz.
Bei den Futtermitteln etabliert hat sich der Begriff „getreidefrei“, auch wenn Getreidebestandteile teilweise trotzdem enthalten sind. Getreidefrei meint vor allem „ohne Mehlkörper“ und somit in der Regel stärke- und zuckerreduziert. Dennoch bricht beim Studieren der Produktzusammensetzung Panik bei dem Begriff „Maiskeime“ aus. Wer bis hierhin gelesen hat, der wird wissen, dass es keinen Grund zur Panik gibt. Im Gegenteil! Wer den Nährstoffreichtum des Getreides verstanden hat, der freut sich in Zukunft über Futterbestandteile wie Kleie, Getreidekeime und Co.
Die Lactofermentation
Das St. Hippolyt Getreide wird vor der Verarbeitung in einem Karottenfermentat angekeimt. Das hauseigene Karottenfermentat entsteht durch eine Milchsäurekultur, die nach dem Vorbild des bekömmlichen Sauerteigs für den Menschen, eine Art Vorverdauung leistet und gleichzeitig ein aktives Nährstoffspektrum liefert. „Gefüttert“ wird die Kultur mit frischen Karotten. Die Milchsäurebakterien zersetzen den Zucker der Karotte und bilden kurzkettige Fettsäuren (Vorgang wie im Dickdarm). Das Getreide wird mit dem Karottenfermentat benetzt und durch die Feuchtigkeit kommt es zum Ankeimen des Getreides. Durch den Keimvorgang werden im Getreidekorn bioaktive Substanzen und Enzyme „geweckt“ bzw. aktiviert. Es erfolgt ein Umbau der Getreidestärke in β-glycosidische Bindungsformen, die einen zu starken Blutzucker- und Insulinspiegelanstieg nach der Ingestion verhindern und den Mikroben im hinteren Darmtrakt zugutekommen. Gleichzeitig wird Phytat abgebaut, so dass im Getreide enthaltene Mineralstoffe besser zugänglich werden. Zusätzlich sorgt das Karottenfermentat für eine verbesserte Textur der späteren Getreideflocken, wirkt sich positiv auf den Geschmack aus und sorgt für eine natürliche Konservierung.
Der Gesamteffekt dieser Prozedur ist die Erhöhung der Nährstoffeffizienz bei geringerem Blutzuckeranstieg und die präbiotische Unterstützung des Darmmikrobioms.
Unsere Stärke in Sachen Getreide:
C’Real Basics® Getreideflocken
- Balance (Gerstenflocken, Maisflocken, Schwarzhafer, Fermentkarotte)
- Dynamic (Schwarzhafer, Gerstenflocken, Maisflocken, Fermentkarotte)
- Schwarzhaferflocken
- Maisflocken
- Stärkereduziert mit hohem Energiegehalt
- Mineral-und vitalstoffreich
- Mit bioaktiven Kräutern
- Hochaufgeschlossene Getreideflocken
- Haferfrei
- Für temperamentvolle und schwerfuttrige Pferde
- Essentielle Aminosäuren für eine bessere Bemuskelung
- Reich an Faserstoffen und Getreidekeimen
- Moderater Getreideanteil
International Sports Champions Claim®
- Energiereiches Sportmüsli
- Nährstoffe für optimierte Muskelarbeit
- Dopingfrei
Hesta Mix®
- Classic, Müsli und Light Energy
- Hafer- und melassefrei
- Mit hochbioverfügbaren Spurenelementen
… und viele mehr!!!!
Mehr Informationen finden Sie in unserem Online Seminar
Und falls es doch getreidefrei sein soll…Hier geht’s zu unserem Blogbeitrag „Gründe für eine getreidefreie Fütterung“.
Persönliche und unverbindliche Futterberatung
Gerne stehen wir Ihnen für eine persönliche Futterberatung und individuelle Produktkombination zur Verfügung.
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Telefon Zentrale: +49 6222 990 100
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